So wirst du selbstbewusst: 7 Tipps für mehr Selbstbewusstsein

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Selbstbewusstsein ist ein riesiges Thema. In diesem Artikel teile ich mit dir meine Tipps und Erfahrungen, die mir geholfen haben, um ein stabiles Selbstbewusstsein aufzubauen. Auch wenn man bei dem Thema eventuell nicht unbedingt damit rechnet: Mache dich darauf gefasst, dass du beim Lesen dazu angeregt wirst, auch kritisch über dich nachzudenken!

Du bist neugierig? Dann lies‘ weiter!

Ich beobachte oft, dass fehlendes Selbstbewusstsein den Umgang mit Problemen oder sogar alltäglichen Situationen erschwert, Grundlage für psychisches Unwohlsein ist, und es somit zu vermehrten negativen Erfahrungen kommt. Klar, dass so etwas auf die Stimmung schlägt, das Selbstbewusstsein noch weiter hinunter zieht, und schwupp! hat man einen Teufelskreis.

Aber was ist Selbstbewusstsein eigentlich genau? Aus meinem vorherigen Artikel „Wie werde ich glücklich in 10 Schritten?“ weißt du schon, dass ich ein großer Fan davon bin, Dinge zunächst zu definieren, denn das macht’s greifbarer. Erst einmal zu wissen, was das Problem ist, bevor ich damit beginne, es zu beheben, erspart mir vergebene Anstrengung in eine unsinnige Richtung. Wer Selbstbewusstsein aufbauen möchte, sollte sich auch hier zunächst einmal wieder klar werden, was das überhaupt bedeutet.

„Selbstbewusstsein“ wird im Psychologischen Wörterbuch nach Häcker & Stapf (2004, S. 847) definiert als „das Erleben der geschlossenen Eigenheit und Einheit des persönlichen Ich“.

Uff! Das klingt fürchterlich unkonkret, und macht für mich nicht unbedingt greifbarer, was Selbstbewusstsein denn jetzt genau sein soll.

Die Definition vom häufig synonym verwendeten „Selbstvertrauen“ trifft’s für meinen Geschmack schon eher: „Gefühl, mit möglichen Schwierigkeiten fertig zu werden“ (Häcker & Stapf, 2004, S. 851).

Ich persönlich definiere aus meiner Erfahrung heraus Selbstbewusstsein gerne als eine Mischung aus den beiden Bedeutungen:

Selbst-Bewusstsein entsteht darüber, sich über sich selbst bewusst zu sein.

Das entspricht quasi der ersten Definition von Selbstbewusstsein. Gleichzeitig ergibt sich die Möglichkeit, das ganze Konzept greifbarer und besser verständlich zu machen, indem du dich beobachtest und so über dich selbst bewusster wirst.

Wenn du dich selbst beobachtest, erhältst du die Möglichkeit festzustellen, wie es dir geht, ob du dich wohlfühlst oder nicht, und wie du dich gern fühlen möchtest. Somit kannst du überlegen, wie du entsprechende Veränderungen für dich einleiten kannst. Damit integrieren wir den zweiten Aspekt, den des Selbstvertrauens.

Auch hier sind wir gar nicht so weit entfernt vom Konzept des Glücklich seins.

Außerdem erhältst du durch Selbstbeobachtung Informationen darüber, was überhaupt hilfreich ist, um deine persönliche Ziele zu erreichen, was hinderlich ist, und welche Kompetenzen und Ressourcen du hast, um für dich Zufriedenheit herzustellen.

Selbst-Bewusstsein entsteht darüber, sich über sich selbst bewusst zu sein. Es ist menschlich, Probleme zu haben. Sich darüber bewusst zu sein, welche Dinge für dich persönlich schwierig sind, und welche Kompetenzen und Ressourcen du hast, ermöglicht die Bewältigung von Herausforderungen. Hier kommt der Aspekt mit dem Selbstvertrauen zum Tragen.

Aber das Ganze ist immer noch äußerst schwammig. Das Problem bzw. unser gemeinsames Verständnis von Selbstbewusstsein ist vielleicht konkreter geworden. Es fehlt jedoch immer noch eine Anleitung, wie du Selbstbewusstsein und folglich auch Selbstvertrauen aufbauen kannst. Keine Sorge, wir kommen noch dazu!

Interessanterweise gibt es in den psychologischen Lehrbüchern, die man im Studium wälzt, jede Menge Trainings, um soziale Kompetenzen aufzubauen, oder eben Selbstsicherheit. Oft wird das gleichgesetzt mit der Bewältigung schwieriger Situationen (s.o.). Aber in den wenigsten Fällen geht es konkret um Selbstbewusstsein, obwohl es doch das ist, was die meisten sich wünschen. Wenn man allerdings die ursprüngliche Definition davon als Ausgangspunkt nimmt, ist auch nachvollziehbar, warum es so schwierig ist, ein derart abstraktes Konzept zu trainieren.

Ich persönlich denke, dass Selbstbewusstsein mehr ist als sich über seine „Einheit“ bewusst zu sein und schwierige Situationen bewältigen zu können. Mit Sicherheit hilft es, dem Kellner sozialkompetent sagen zu können, dass man das Haar in der Suppe gefunden hat und deshalb gern eine neue hätte. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass bestimmte Überlegungen schon vorab helfen, Selbstbewusstsein aufzubauen, bevor man dafür überhaupt in die Tat schreiten muss. Klar, positive Erfahrungen stärken das Selbstbewusstsein. Aber oft ist es ganz schön schwierig, überhaupt diese Erfahrungen zu machen.

Aus meiner Erfahrung schwingen quasi drei Dinge mit:

1) Das Sich-Selbst-Bewusstsein indem man sich selbst beobachtet,
2) aus der Selbstbeobachtung zu wissen, welche Ressourcen man hat,
3) und ebenso zu wissen, wo Herausforderungen sind.

Da du durch das Definitions-Wirrwarr standgehalten hast, wirst du nun mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung belohnt, die sich sowohl für mich als auch für meine Patienten bewährt hat, um Selbstbewusstsein aufzubauen:

 

1) Mache dir bewusst, was deine Stärken sind!

Jeder Mensch hat Stärken, auch du! Wichtig ist, sich diese auch bewusst zu machen, selbstbewusst. Wie schon in meinem vorherigen Artikel erwähnt, sind wir oft sehr gut darin, das Haar in der Suppe zu finden. Oft konzentrieren wir uns eher auf unsere Schwächen, auf unsere Misserfolge, oder darauf, was andere besser können als wir selbst. Einerseits kann das unglücklich machen, andererseits aber auch zu mangelndem Selbstbewusstsein führen.

Ich persönlich wurde so erzogen, dass Eigenlob stinkt und es verpönt sei, die Nase zu hoch zu tragen. Dies führte dazu, dass ich mich früher mit meinen Erfolgen und Stärken nicht beschäftigte und nicht sonderlich selbstbewusst war. Bei anderen beobachtete ich, was die alles konnten und schafften, während ich mir selbst kaum etwas zutraute. Damals habe ich das aber nicht einmal schlimm gefunden, denn ich habe es als gottgegeben betrachtet, dass ich eben weniger konnte als andere (was nicht einmal stimmte, jedoch traute ich mich einfach nicht, das gleiche zu tun wie andere). Ich habe das überhaupt nicht hinterfragt. Glücklicherweise hatte ich die Fähigkeit, mir Freundinnen zu suchen, die selbstbewusster waren als ich, mehr Ideen und Ambitionen hatten als ich. An sie konnte ich mich hängen, übernahm deren Vorstellungen von Erfolg, Lebensplanung, Freundschaften, und machte einfach alles nach.

Ich war also ein ziemlicher Mitläufer.

Aber wie gesagt, ich fand das damals gar nicht schlimm, denn mehr hätte ich mir sowieso nicht zugetraut.

Das erste Mal wurde ich mit der Frage nach meinen Stärken konfrontiert, als ich mich zum Ende des Studiums für die Psychotherapieweiterbildung und einen Job als Psychologin in einer Klinik bewarb. Damals war ich 23. Ich hatte mich also 23 Jahre lang vorwiegend mit meinen Defiziten beschäftigt. Ich weiß noch, dass ich bei den Vorbereitungen auf die Vorstellungsgespräche dachte, ich müsste dann lügen, da ich ja keine Stärken hätte. Und selbst das fand ich nicht einmal schlimm damals, da ich ja in dem Glauben aufgewachsen war, dass man seinen Stärken eben keine Aufmerksamkeit schenkt.

Klar wusste ich, dass ich super Noten in Fremdsprachen hatte. Oder dass andere sich gern mit mir unterhielten. Aber das war etwas anderes, denn andere gaben mir diese Einschätzung, und nicht ich mir selbst. Ich machte meine Stärken also zusätzlich abhängig von der Bewertung anderer. Umso schwieriger gestaltete es sich für mich, den mir fremden Leuten im Vorstellungsgespräch meine eigene Einschätzung über mich selbst zu geben. Oh je!

Bewerbungsgespräche mochte ich überhaupt nicht. Ständig schwebte die drohende Ablehnung wie ein Damoklesschwert über mir. Aber ich musste dadurch, wenn ich einen Job haben wollte. Und da es mir fürchterlich schwerfiel, mir irgendwelche Stärken aus den Fingern zu saugen, packte ich die Gelegenheit beim Schopfe und beobachtete mich:

Was konnte ich denn eigentlich gut? Welche Fähigkeiten hatte ich, um die andere mich sogar beneideten? Was hatte ich schon geschafft in meinem Leben, und welche Kompetenzen hatten mir dabei geholfen? Ich stellte fest, dass ich eine ganze Menge konnte und diverse Fähigkeiten besaß. Zum Beispiel hatte ich tatsächlich ein Talent für Sprachen, welches mir auch in der Kommunikation mit anderen Menschen half. Ich hatte ein gutes soziales Gespür, Empathiefähigkeit, konnte mich verglichen mit anderen extrem gut konzentrieren, das Haar in der Suppe finden (ja, das kann auch hilfreich sein, weil man als Psychologe das Problem erst einmal finden muss, bevor man es löst), hatte eine ruhige Ausstrahlung und konnte gut auswendig lernen, was mir zu einer Masse Fachwissen verholfen hatte. Ich war insgesamt lernfähig, flexibel und anpassungsfähig, was mir half, mich auf neue Situationen einzustellen.

Wow, das war doch eine ganze Menge! Indem ich mir das bewusst machte, merkte ich, dass ich mich gleichzeitig sicherer fühlte, mich im Bewerbungsgespräch als attraktiven Angestellten zu verkaufen. Und zwar ohne zu lügen! Ein gutes Gefühl.

Rückblickend hatte ich diese Stärken und Fähigkeiten schon in der Schulzeit eingesetzt, um Freunde zu finden, die mich eben mitzogen. Es war also auch eine Fähigkeit von mir, dass ich mir Menschen suchen konnte, die mir halfen, mich weiterzuentwickeln, wenn ich selbst nicht weiterkam.

Heute habe ich mein Stärkenrepertoire erweitert, so dass ich seltener andere Menschen brauche, die mich mitziehen. Aber ich kann immer noch Hilfe annehmen, wenn ich sie benötige.

Frage dich: Was kannst du gut? Welche Fähigkeiten hast du? Worum beneiden dich andere? Was hast du bereits geschafft, und welche deiner Kompetenzen haben dir dabei geholfen? So kannst du schon Selbst-Bewusstsein aufbauen, ohne dich mit realen Situationen konfrontieren zu müssen.

 

2) Mache dir bewusst, was deine Schwächen sind!

Ich will kein Spielverderber sein, aber kein Mensch besteht nur aus Stärken. Selbst-Bewusstsein wird aus meiner Erfahrung vor allem stabil, wenn man sich ebenso mit seinen Schwächen auseinandersetzt.

Da ich 23 Jahre lange fast ausschließlich geübt hatte, das Haar in der Suppe zu finden, waren mir meine Schwächen natürlich nicht verborgen geblieben und durchaus vertraut. Aber gleichzeitig verurteilte ich sie und schämte ich mich auch sehr dafür. Dafür, dass ich recht unsportlich war, unselbstständig und wenig eigene Ambitionen hatte. Ständig war ich damit beschäftig, das möglichst zu vertuschen, damit keiner etwas von meinen Schwächen mitbekam. Als Mitläufer war ich sowieso nicht so beliebt wie die coolen, selbstbewussten Mitschüler. Und ich wollte nicht riskieren, Aufmerksamkeit zu bekommen für meine Schwächen, für die ich mich doch so schämte. Es war also immer ein Drahtseilakt, möglichst nicht negativ aufzufallen, denn besonders positiv darstellen konnte ich mich nicht. Ich hatte es ja nicht gelernt.

Ebenfalls bei der Vorbereitung auf meine Bewerbungsgespräche musste ich mich mit meinen Schwächen auseinandersetzen, da danach häufig gefragt wird. Das fand ich ganz fies, denn das letzte, was ich wollte, war auch noch offen zuzugeben, wofür ich mich schämte. Aber auch da musste ich durch, und wieder beobachtete ich mich.

Ich konnte mich schlecht abgrenzen, machte oft einfach, was andere mir auftrugen (ich war ja ein Mitläufer), auch wenn ich das selbst gar nicht unbedingt wollte, und priorisierte oft die Bedürfnisse anderer über meinen. Das machte mich vielleicht attraktiv als Angestellten, den man herumschubsen kann. Aber ich war eben nicht selbstbewusst und lief Gefahr, grade im beruflichen Kontext, mich zu überarbeiten, da ich nicht Nein sagen konnte.

So, jetzt war es raus!

Seltsamerweise hat genau das mir noch mehr Selbst-Bewusstsein eingebracht, als mir meiner Stärken bewusst zu werden. Aber warum? Weil ich es als unglaublich befreiend erlebt habe, meine Schwächen bewusst wahrzunehmen, sie mir einzugestehen und letztlich zu akzeptieren.

Ja, ich habe Schwächen. Ich bin nicht perfekt, das wusste ich immer. Ich bin ein Mensch und kein Roboter. Aber mir meine Schwächen bewusst zu machen, mich damit zu konfrontieren, hat mir verdeutlicht, dass es ganz normal ist, welche zu haben. Es ist menschlich. Plötzlich war mein Drang, sie zu vertuschen, weg, ebenso meine Angst, mich dafür schämen zu müssen.

Es ist eine ganz verbreitete psychologische Annahme, dass Ängste aufrechterhalten bleiben oder sogar stärker werden, wenn man die Konfrontation mit ihnen vermeidet. Die Vermeidung der bewussten Konfrontation mit meinen Schwächen hatte also meine Angst, dass jemand davon erfahren könnte, aufrechterhalten. Gleichzeitig hatte in mir aber immer unterbewusst die Gewissheit geschlummert, dass die Leute irgendwann merken würden, wie inkompetent ich eigentlich war. Es war wie eine tickende Zeitbombe.

Die Bombe verlor ihren Zünder, als ich mir eingestand, dass es für mich eben schwieriger war als für andere, mich abzugrenzen, eigene Wünsche, Bedürfnisse und Sichtweisen durchzusetzen (ja, mittlerweile hatte ich welche, aber ich traute mich nie, sie zu äußern. Das hätte ja jemand blöd finden können). Mittlerweile machte ich gerne Sport, obwohl es für mich einfach schwieriger war als für andere, da ich von Natur aus unsportlicher war.

Es war in den meisten Fällen nicht einmal so, dass ich alle diese Dinge überhaupt nicht konnte. Es war eben nur schwieriger für mich. Und wenn wir mal ehrlich sind, ist es doch eigentlich sogar bemerkenswert, Dinge trotzdem zu tun, obwohl sie für einen selbst schwieriger sind als für andere.

Während ich mir meiner Schwächen bewusst wurde, verlor ich einerseits die Angst vor ihnen, da ich merkte, dass sie mich zum Teil gar nicht so extrem einschränkten, wie ich es ihnen zusprach. Andererseits stellte ich fest, dass ich eine Masse an Stärken besaß, um meine Schwächen ausgleichen zu können. Ich konnte gut mit ihnen leben.

Offenbar hatte ich eine Menge Durchhaltevermögen, um mich überhaupt so lange anpassen zu können an Situationen, die für mich nicht optimal waren. Ebenso war ich lernfähig, um mir selbst einen anderen, eventuell für mich gesünderen Umgang mit für mich schwierigen Situationen beizubringen.

Klar gibt es Dinge, die ich einfach überhaupt nicht kann. Z.B. kann ich nicht singen, die Leute laufen regelrecht weg, wenn ich losschmettere. Auch bin ich absolut schlecht in Ballsportarten und Mathe. Aber zum Glück schränkt mich das nicht sonderlich ein, da ich einen Beruf und Hobbys gewählt habe, in denen ich das nicht oder nur in geringem Umfang brauche. Diese Schwächen haben keine große Bedeutung für mich.

Dinge, die mir schwerer fallen als anderen, sind eben für mich herausfordernder. Vielleicht brauche ich dafür länger, oder ich mache es nicht so gut wie andere. Aber vielleicht habe ich Talente, die mir helfen, diese Dinge trotzdem zu tun, obwohl sie mir schwerfallen. Wie z.B. dass ich mir von anderen helfen lassen kann oder das Durchhaltevermögen habe, sie zu tun, auch wenn es für mich länger dauert und mehr Arbeit bedeutet.

Frage dich: Was kannst du nicht bzw. nicht so gut? Was fällt dir schwer? Worin bist du eingeschränkt? Welche Situationen im Leben waren in der Vergangenheit für dich schwierig oder herausfordernd?

Auch an dieser Stelle kannst du Selbst-Bewusstsein aufbauen, indem du dich mit deinen Schwächen konfrontierst, ohne dich in eine konkrete Situation begeben zu müssen.

 

3) Mache dir deine Ressourcen bewusst!

Stärken sind ebenfalls Ressourcen, die in dir als Person liegen, in deinen Fähigkeiten, Talenten und Kompetenzen.

Was aber hast du an materiellen, situativen, personellen Ressourcen, die dir eventuell den Umgang mit Situationen erleichtern, dir einen Vorteil verschaffen oder dir Rückendeckung bei der Bewältigung von Herausforderungen geben?

Meine kommunikativen und sozialen Fähigkeiten haben mir dazu geholfen, Freundschaften und Beziehungen aufzubauen. Sie sind eine besondere Ressource in meinem Leben. Vor allem mein Mann Bert ist für mich da, unterstützt mich, hilft mir, wo er kann. Durch ihn bin ich nicht allein, ich habe jemandem zum Reden, wenn es mir schlecht geht. Er gibt mir Ratschläge, seine Einschätzung von Situationen und hilft mir, mich zu reflektieren. Auf ihn kann ich mich verlassen. Das gibt mir wahnsinnig viel Sicherheit. Wenn ich Probleme habe, bin ich mir bewusst, dass ich mich damit an ihn wenden kann.

Situativ habe ich mittlerweile einen ziemlich guten Lebensstandard. Ich habe diverse Abschlüsse, einen guten Job, der mir eine Struktur und Geld bringt. Falls ich den Job irgendwann nicht mehr machen kann, habe ich immer noch meine Abschlüsse und kann mir wahrscheinlich einen anderen Job suchen. Auch das gibt mir Sicherheit und Selbstbewusstsein darüber, was ich geschafft und erreicht habe.

Materiell gesehen habe ich, wie gesagt, genügend Geld, um zu leben. Ich habe ein Dach über dem Kopf, Kleidung, einen Computer, um diesen Blog zu schreiben uvm. Das macht zwar nicht so viel von meinem persönlichen Selbstbewusstsein aus wie meine Fähigkeiten. Dennoch hilft es mir in schwierigen Situationen zu wissen, dass ich Grundlagen habe.

Frage dich: Welche materiellen, situativen und personellen Ressourcen hast du in deinem Leben? Was / wer davon kann dir helfen, dich auffangen, dich unterstützen, wenn es für dich schlecht läuft oder Herausforderungen an deine Tür klopfen?

 

4) Mache dir deine Hürden bewusst!

Wie gesagt, ich möchte keine Spaßbremse sein. Aber wir haben nun mal nicht alle die gleichen Ausgangsbedingungen. Was der eine als Rückendeckung und Ressource hat, fehlt dem anderen eventuell und macht es ihm schwer, möglicherweise noch schwerer, als es sowieso schon ist. Es geht nicht darum, sich dafür zu bemitleiden, sondern sich dessen selbst bewusst zu sein.

Ich persönlich bin ohne Vater aufgewachsen, er ist früh gestorben. Daher fehlt mir ein ganz wichtiger Mensch in meinem Leben. Ich weiß nicht, wie es gewesen wäre, mit ihm aufzuwachsen, oder ob dadurch etwas besser gewesen wäre. Aber ganz sicher weiß ich, dass ich es ohne ihn schwer hatte.

Lange Zeit war ich die einzige in meinem Umfeld, die nicht in einer klassischen Vater-Mutter-Kind(er)-Konstellation aufgewachsen war. Als Kind hatte ich zwar noch keine Ahnung von den sozialen Nachteilen, die so etwas mit sich bringt, wie finanzielle Ungleichheit, fehlende Rollenmodelle oder einfach schon früh mit derartigen Verlusten konfrontiert zu sein. Aber immer war mir klar, dass etwas fehlte, dass jemand fehlte. Es war einfach jemand weniger da für mich als für andere Kinder in meinem Umfeld.

Das soll kein trauriger Artikel werden, aber es gehört zum Leben dazu, dass Menschen aus ungleichen Ausgangsbedingungen starten oder sich die Bedingungen im Laufe des Lebens verändern.

Heute weiß ich, dass ich aus dieser Hürde heraus viele meiner Kompetenzen entwickelt habe. Vor allem macht mich der Gedanke stolz und selbstbewusst, dass ich trotz dieses Verlusts so viel geschafft habe, obwohl es für mich eben schwieriger war als für andere. Außerdem gestaltet es sich bei den Hürden ähnlich wie bei den Schwächen: sich diese bewusst zu machen, hilft häufig dabei, sie als Teil des eigenen Lebens zu akzeptieren.

Stelle dir die folgenden Fragen nur, wenn du bereit, ganz objektiv festzustellen, was du im Gegensatz zu anderen nicht hast! Wenn du dich mit deinen Hürden befasst, mach dir bewusst, dass das schmerzen kann. Werte dich nicht dafür ab, sondern nimm’ sie lediglich als Fakten in deine Bestandsaufnahme mit auf.

Wenn du dazu bereit bist, frage dich: Welche Hürden hast du? Wodurch hast du es schwerer als andere?

 

5) Mache dir deine Vorlieben bewusst!

Vielleicht fragst du dich, was Vorlieben mit Selbstbewusstsein zu tun haben. Eine ganze Menge! Und genau das macht diesen Punkt so schön und so einfach!

Jeder Mensch hat Vorlieben: Dinge, Menschen, Tätigkeiten, Situationen, Zustände, die er einfach gerne mag. Interessanterweise überschneiden sich diese Dinge oft mit denen, die wir gut können, die uns leicht fallen, die wir eben als unsere Stärken oder Ressourcen empfinden.

Aber warum ist das so?

Erstens: Wir begeben uns natürlicherweise eher in Situationen, die wir angenehm finden. Da wir diese öfter aufsuchen, haben wir darin mehr Übung, können diese besser bewältigen, wir fühlen uns in ihnen sicherer.

Zweitens: Es macht uns mehr Spaß, diese Situationen aufzusuchen, da wir uns in ihnen erfolgreicher, sicherer, wohler fühlen. Daher mögen wir sie meistens lieber als Situationen, in denen wir uns weniger erfolgreich, unsicher oder unwohl fühlen.

Die Vorliebe führt also zu mehr Übung, und die Übung verstärkt die Vorliebe.

Ein Beispiel: Als Kind wollte ich sehr gerne ein Instrument spielen. Ich entschied mich dafür, Gitarre spielen zu lernen, weil ich den Klang so schön fand, und besuchte den Gitarrenunterricht. Gleichzeitig lernte ich dort auch dazu, wurde besser, erhielt Lob. Also besuchte ich noch lieber den Gitarrenunterricht.

Ein anderes Beispiel sind Freundschaften: Wenn wir Menschen kennenlernen, spüren wir oft schnell, ob wir den anderen mögen oder nicht. Wenn wir jemanden gern mögen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns bemühen, denjenigen öfter zu treffen und eine Freundschaft aufzubauen. Wenn wir mit jemandem befreundet sind, sind wir oft so vertraut, dass wir denjenigen lieber mögen als Menschen, die wir grade erst kennengelernt haben.

Frage dich also: Was magst du gerne? Welche Menschen, Dinge, Tätigkeiten, Zustände, Situationen magst du, suchst du gerne auf, tun dir gut? Mache dir bewusst, über welche deiner Fähigkeiten, Stärken und Ressourcen dir das gleichermaßen Aufschluss gibt!

 

6) Mache dir deine Abneigungen bewusst!

Abneigungen geben oft Aufschluss darüber, was wir nicht so gut können, uns nicht zutrauen, oder an welcher Stelle wir Hürden / es schwerer haben. Mittlerweile sollte klar sein, warum für ein stabiles Selbst-Bewusstsein auch dazugehört, sich seine Abneigungen bewusst zu machen.

Ich persönlich habe eine große Abneigung gegenüber dem Fliegen. Ich habe regelrecht Angst davor. Für mich als Reiseenthusiast ist das sehr von Nachteil, da es mir regelmäßig den Angstschweiß auf die Stirn treibt, wenn ich bei meinen Reiseplanungen nur daran denke, dass diverse Stunden im Flugzeug auf mich zukommen werden. Stunden in diesen fiesen, stickigen, lauten, rappeligen Maschinen, die abstürzen können, und ich kann es nicht verhindern.

Oh je!

Eine Zeit lang habe ich es daher vermieden zu fliegen. Es verhält sich genauso wie bei den Vorlieben, nur genau entgegengesetzt:

Situationen, die ich nicht mag, suche ich im Normalfall nicht so oft auf bzw. ich vermeide sie. So fehlt jedoch die Übung und Auseinandersetzung mit der Situation, es können keine Kompetenzen im Umgang damit entwickelt werden. Gleichzeitig begebe ich mich freiwillig nicht gerne in Situationen, in denen ich mich nicht kompetent fühle. Also wird sich meine Abneigung gegen sie auch nicht verbessern, da ich keine positive Erfahrung mit der Situation machen kann.

Durch Vermeidung wird nicht nur Angst, sondern oft auch Abneigung aufrechterhalten.

Es war also höchste Zeit, mir meine Stärken und Ressourcen auf den Plan zu rufen, denn sonst hätte es schlecht ausgesehen mit meinen Reiseplänen!

Ich machte mir vor dem Flug im Detail bewusst, was genau ich am Fliegen so unangenehm fand, und versuchte, meine Stärken und Ressourcen zu nutzen, um es dennoch zu schaffen, ins Flugzeug zu steigen.

Z.B. wog ich ab zwischen der Wahrscheinlichkeit, dass das Flugzeug tatsächlich abstürzt und meinem Wunsch / meiner Vorliebe, fremde Länder zu bereisen, für die ein solcher Flug eben notwendig ist. Außerdem wusste ich, dass ich durchhalten konnte und in der Lage war, unangenehme Zustände auszuhalten. Daher machte ich mir bewusst, dass solch ein Flug eine begrenzte Anzahl an Stunden dauert, die ich aushalten konnte, um mein Ziel zu erreichen. Letztendlich machte ich mir bewusst, dass es für mich eben schwieriger sein würde zu fliegen als für andere. Aber ich hatte schon schwierige Situationen in der Vergangenheit bewältigt, und das machte mich selbst-bewusster, dass ich mir das auch zutrauen könnte.

Mittlerweile habe ich so viele Flüge hinter mir, so dass ich eine Menge Übung im Fluggastsein habe. Ich bin mit dem ganzen Procedere vertraut und weiß, was die Geräusche und das Ruckeln bedeuten. Fliegen ist zwar immer noch nicht eine meiner liebsten Beschäftigungen, aber meine Abneigung ist deutlich geringer geworden. Vielleicht sollte ich einfach noch öfter fliegen, um noch mehr Übung zu bekommen, und es noch lieber zu tun? Ein neues Reiseziel wüsste ich schon…

Frage dich: Welche Dinge, Menschen, Tätigkeiten, Zustände, Situationen magst du nicht, versuchst du zu vermeiden, tun dir nicht gut? Mache dir bewusst, über welche deiner Schwächen und Hürden dir das gleichermaßen Aufschluss gibt!

 

7) Übe, übe, übe, und beobachte dich selbst!

Wie dir vielleicht aufgefallen ist, ging es in allen bisherigen Übungen darum, dir über dich selbst bewusst – selbstbewusst – zu werden. Möglicherweise wirst du sogar merken, wie anstrengend das sein kann, ohne überhaupt einen Fuß vor die Tür gesetzt zu haben.

Gleichzeitig hast du damit schon einen großen Teil der Arbeit geschafft: du bist dir über dich selbst bewusst(er) geworden. Der erste Teil der Definition vom Anfang des Artikels, die eigentliche Definition von Selbstbewusstsein, ist somit schon geschafft – herzlichen Glückwunsch!

Mache dir bewusst, was du da soeben geschafft hast, welche Fähigkeiten du aufgebaut, welche Schwächen du akzeptiert oder ausgewogen hast, welche Ressourcen du aktivierst, welche Hürden du akzeptiert oder überwunden hast, welche Vorlieben es dir erleichtern und welche Abneigungen du damit akzeptiert oder vermindert hast! Toll!

Um auch dem zweiten Teil der Definition Berücksichtigung zu schenken, nämlich dem Aspekt der Selbstsicherheit im Umgang mit Schwierigkeiten, geht es nun an die praktische Umsetzung all’ dessen. Begib’ dich in ganz alltägliche Situationen, und beobachte dich:

1) Mache dir bewusst, was deine Stärken sind!

Du hast Fähigkeiten, Kompetenzen, Stärken, bereits etwas geschafft in deinem Leben! Mache sie dir selbst bewusst und nimm’ sie nicht als selbstverständlich! Welche davon helfen dir besonders gut bei der Bewältigung von schwierigen Situationen?

2) Mache dir bewusst, was deine Schwächen sind!

Was kannst du nicht so gut oder gar nicht? Auch wenn das vielleicht unangenehm ist, mache es dir bewusst, akzeptiere, dass du es dadurch in manchen Situationen schwerer hast, oder dass du deine Stärken einsetzen musst, um die Herausforderungen zu überwinden.

3) Mache dir deine Ressourcen bewusst!

Beobachte deine Umgebung, die Menschen in deinem Leben, deine Lebenssituation: Was hast du alles, was dir helfen kann oder schon geholfen hat, um mit Problemen umzugehen?

4) Mache dir deine Hürden bewusst!

Wo hast du es besonders schwer im Leben? Welche Stärken und Ressourcen helfen dir, um trotz der Hürden, obwohl du es an dieser Stelle schwerer hast als andere, zurechtzukommen?

5) Mache dir deine Vorlieben bewusst!

Mache dir anhand deiner Vorlieben bewusst, was dir leicht fällt, was weitere Stärken und Ressourcen sind, um trotz Schwächen und Hürden zurechtzukommen und mit Problemen umzugehen.

6) Mache dir deine Abneigungen bewusst!

Beobachte dich, welche Situationen / Tätigkeiten / Menschen du vermeidest! Welchen Aufschluss kannst du daraus über deine Schwächen und Hürden ziehen? Welche Stärken, Ressourcen und Vorlieben hast du, die dir helfen, mit schwierigen Situationen umzugehen und diese trotz allem zu bewältigen?

7) Übe, übe, übe, und beobachte dich selbst!

Werde aktiv, stärke dein Selbstvertrauen! Dir alle diese Dinge bewusst zu machen, hilft dir, erstes Selbstbewusstsein aufzubauen bzw. vorhandenes zu stärken, um dich dann mit tatsächlichen schwierigen Situationen zu konfrontieren. Lass’ den Kopf nicht hängen, wenn du merkst, dass du nervös bist, Ängste auftreten, oder du im letzten Moment einen Rückzieher machst. Mache dir anschließend selbst bewusst, was da passiert ist, und an welcher Stelle du mehr Ressourcen, Unterstützung oder was auch immer benötigst, um die Situation zu bewältigen.

Je mehr Übung du bekommst, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass du positive Erfahrungen machst, die dich bestärken und dir Bestätigung geben. Der Grund, warum wir oft im Laufe des Lebens selbstbewusster werden, ist, dass wir mit steigenden Alter mehr Erfahrungen machen. Einerseits können wir aus diesem Erfahrungsschatz mehr Beobachtungen über uns ziehen, also über uns selbst bewusster werden. Andererseits steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir mehr Übung im Umgang mit diversen Situationen bekommen, so dass sie für uns tatsächlich weniger schwierig werden und wir uns in ihnen sicherer fühlen.

Selbstbewusst zu sein heißt nicht, dass man Situationen nicht schwierig oder unangenehm finden darf, denn das ist menschlich. Mache dir bewusst, dass du dich in eine schwierige Situation begibst und es normal ist, dass es dir in Anbetracht dessen schwerfällt.

Selbstbewusstsein zu haben heißt auch nicht, dass man nie wieder scheitern darf oder Situationen nicht mehr schiefgehen dürfen. Auch das ist menschlich. Es kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren, das einen in dem Moment überfordert. Dann ist das eben so, mache es dir bewusst. Du wirst wahrscheinlich noch weitere herausfordernde Situationen in deinem Leben haben, in denen du üben kannst, mit diesen umzugehen. So bekommst du Übung darin, diese im Laufe der Zeit als leichter zu empfinden und dich selbst in ihnen selbstbewusster zu fühlen.

Und wie gesagt, Selbstbewusstsein besteht nicht nur daraus, alles perfekt zu machen, alles mit Links zu meistern, sondern auch zu wissen, an welchen Stellen du eben nicht perfekt bist und was für dich schwierig ist.

Selbstbewusstsein beinhaltet, sich über sich selbst bewusst sein. Mit beiden Seiten der Medaille.

 

Ich danke dir für das Lesen meines Artikels und hoffe, dass er dir gefallen hat und hilfreich war.

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Schreibe mir einen Kommentar: In welchen Situationen fühlst du dich selbstbewusst?

Bis bald,

Eure Anna

 

Literatur:
Häcker, H. O, & Stapf, K.-H. (2004). Dorsch Psychologisches Wörterbuch. 14. Auflage. Bern: Huber.