Wie du sozialen Stress reduzierst: 5 Tipps zum Abbau von Gruppendruck

Ich will dazu gehören.

Ich war grade 24 geworden und mit dem Studium fertig, als ich mit diesem Wunsch in meinen allerersten Job als Psychologin in einer Klinik begann. Nach all der theoretischen Paukerei hatte ich mich tierisch auf die praktische Arbeit im Team mit Kollegen gefreut. Darauf, neue Leute kennenzulernen, gemeinsam zu arbeiten und mit Stolz sagen zu können, dass ich Teil dieses Teams und der Klinik bin. Ich wollte dazu gehören.

Mein Honeymoongefühl dauerte damals ganze zwei Tage. Am dritten Tag bin ich abends heulend nach Hause gefahren, weil ich die Welt nicht mehr verstanden habe.

Während einer Besprechung mit mehreren Kollegen kam plötzlich und für mich völlig unverständlich ein Streit auf. Das Team war offenbar in zwei Lager unterteilt, warum wusste ich nicht. Ich war ja neu. Es wurden sachliche Standpunkte klargemacht, unsachlich herumgezickt und ich vor die Wahl gestellt:

„Anna, auf welcher Seite stehst du?“

Ich war völlig platt. Ich wollte zu keiner Seite gehören, ich wollte zum gesamten Team gehören! Und wenn du meinen Artikel zum Thema Selbstbewusstsein gelesen hast, dann weißt du, dass ich früher nicht in der Lage war, meine Meinung frei zu äußern. Ich hatte ja dauernd Angst, jemandem vor den Kopf zu stoßen.

Damals stand ich völlig unter Druck:

Ich wollte so gerne dazu gehören, Teil einer Gruppe sein. Aber doch nicht so! Je nachdem, für wen ich mich entschieden hätte, hätte mich die andere Seite ausgeschlossen. Aber ich wollte doch dazu gehören! Wenn ich mich für die falsche Seite entschieden hätte, lief ich zusätzlich Gefahr, am Ende ganz alleine dazustehen.

Und ich hatte noch gedacht, dass dieser ganze Stress durch Gruppendruck und Gruppenzwang mit der Schulzeit beendet gewesen wäre. Aber da lag ich wohl falsch.

Das war damals eine der stressigsten Zeiten in meinem Leben. Aber ich habe es dann doch geschafft, da heraus zu kommen.

Im Folgenden teile ich mit dir 5 Strategien, die mir damals geholfen haben, die Gratwanderung zwischen dem nötigen und übermäßigen Druck hinzubekommen, um mein Zugehörigkeitsbedürfnis GESUND zu befriedigen und Stress durch Gruppendruck zu vermeiden.

 

 1) Mache dir bewusst, zu welchen Gruppen du überhaupt gehören möchtest

Warum ist unser Wunsch nach Zugehörigkeit überhaupt so stark?

Weil es Teil unserer Identität ist, dass wir zu einer Gruppe gehören wollen / müssen / dürfen.

Der Sozialforscher Tajfel (1981, S. 255) hat in seinen Arbeiten gefunden, dass unsere “soziale Identität” der Teil unseres Selbstkonzepts ist, den wir darüber ableiten, dass wir einer sozialen Gruppe angehören, der wir einen emotionalen Wert beimessen.

Für mich war die ganze Angelegenheit ziemlich emotional besetzt. Schließlich hatte ich mich lange darauf gefreut, endlich zu arbeiten und vor allem, Teil eines Teams zu werden. Davon hatte ich immer geträumt.

Es ist deutlich geworden, dass es zu den menschlichen Grundbedürfnissen gehört, sich zugehörig zu fühlen. Aber doch nicht um jeden Preis! Unser Überleben hängt heute nicht mehr wie bei unseren steinzeitlichen Vorfahren davon ab, ob wir einem Stamm angehören oder nicht.

Wir können uns unsere Gruppen, denen wir angehören MÖCHTEN, aussuchen!

Damals hatte ich nicht das Gefühl, eine Wahlfreiheit zu haben. Schließlich hatte ich einen Vertrag über 1 ½ Jahre unterschrieben und musste für diese Zeit mit den Kollegen irgendwie zurechtkommen.

Gleichzeitig merkte ich immer deutlicher, dass ich das Verhalten meiner Kollegen teils richtig abscheulich fand. Einige Kollegen wurden von anderen regelrecht gemobbt, und es wurde von mir als Neuer erwartet, dass ich mich in die Gruppe integrierte und mitmachte. Ich weiß noch, dass ich völlig entsetzt war, dass in einem beruflichen Feld, in dem sozial gearbeitet wird, derartige Verhaltensweisen toleriert und sogar erwartet wurden. Ich war zutiefst erschüttert.

Mir war klar, dass das nicht meiner Vorstellung von Teamarbeit entsprach. Also machte ich mir meine Optionen klar:

Ich könnte kündigen, um Versetzung auf eine andere Station bitten, versuchen, die Situation zu lösen und Streit zu schlichten, mich dem Druck fügen und einer Gruppe anschließen, oder mich keiner Gruppe anschließen, obwohl ich doch so sehr dazugehören wollte.

Eine Kündigung war damals für mich schwierig, da ich auf die Schnelle keine Alternative gefunden habe und finanziell auf den wohlgemerkt noch schlecht bezahlten Job angewiesen war. Eine Versetzung war ebenfalls nicht möglich, da alle Stationen besetzt waren. Um den Streit zu schlichten fühlte ich mich nicht in der Lage, da die Situation mit der Zeit immer mehr eskalierte. Mich einer Seite anschließen wollte ich nicht, da ich moralisch absolut verwerflich fand, was da passierte.

Es blieb mir quasi nur noch der evolutionspsychologische Super Gau:

Ausgeschlossen zu sein.

Interessanterweise merkte ich, dass ich das ertragen konnte, denn ich hatte mich selbst dazu entschieden. Ich entschloss mich, dort lediglich meine Arbeit zu machen, mich aus allen persönlichen Streitigkeiten rauszuhalten, und meinen Anspruch, im Team auch Freundschaften zu finden, abzulegen. Gleichzeitig lernte ich in dieser Zeit wie in keiner anderen, meine Meinung zu vertreten, egal, ob diese jemand anderem schmeckte oder nicht. Denn fachlich gesehen konnte ich mich nicht aus allem heraushalten, schließlich hatte ich Verantwortung und nahm meine Arbeit sehr ernst.

In dieser Zeit lernte ich ebenfalls zu differenzieren, dass ich mein Bedürfnis nach Zugehörigkeit in Gruppen befriedigen kann, die ICH mir aussuche. Bei der Arbeit funktionierte das nicht, aber ich wurde damals gleichzeitig Teil meiner Ausbildungsgruppe in der Weiterbildung zur Psychotherapeutin. Dort fand ich super schöne Freundschaften, die mich unterstützten und akzeptierten. Ich gehörte zu dieser Gruppe dazu. Und es war um so viel befriedigender, als wenn ich mich bei der Arbeit hätte verbiegen und meine Moralvorstellungen über Bord schmeißen müssen, um zu einem Team zu gehören, zu dem ich gar nicht gehören WOLLTE.

Also beobachte dich: Was ist dir wichtig im Leben, in deiner Planung, in anderen Menschen, in deinen Aufgaben, in deinem Tun und Handeln, in deinen Einstellungen? Was magst du gern, was fällt dir leicht, was interessiert dich?

Überlege dir ebenso: Was stört dich in welchen Lebensbereichen, anderen Menschen, Einstellungen, Institutionen, Organisationen, Berufszweigen usw.? Was interessiert dich einfach nicht bzw. womit möchtest du dich nur ungern beschäftigen?

Eine detaillierte Anleitung zu diesen Punkten findest du in meinem Artikel über Selbstbewusstsein. Denn je selbstbewusster du bist, umso weniger brauchst du dich von Vorgaben anderer abhängig zu machen.

Wenn du diese Punkte für dich geklärt hast, hast du ebenso geklärt, zu welchen sozialen, beruflichen, zwischenmenschlichen, religiösen, sportlichen, politischen usw. Gruppen du dich hingezogen fühlst und zu welchen eben nicht.

Überlege, welchen Gruppen du konkret angehören möchtest und welchen nicht. Mache dir das klar, damit du dich nicht verbiegst, indem du dich an Gruppen anpasst, welche dir nicht entsprechen. Trenne dich von Gruppen, von denen du bloß denkst, du müsstest aus irgendeinem Grund dazugehören, ohne dass du es selbst möchtest.

Mache dir bewusst, dass das einige Veränderungen in deinem Leben beinhalten kann, je nachdem, welche Rolle eine Gruppe bisher für dich gespielt hat. Ein Hobby wechselt sich evtl. leichter als ein Beruf.

 

 2) Wäge ab zwischen deinem Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Opfern, die du dafür bringen musst

Wenn du geklärt hast, welcher/n Gruppe/n du angehören möchtest und dich von Gruppen trennst, welchen du nicht angehören möchtest, hast du schon einen großen Schritt in Richtung Stressabbau getan und Ballast abgeworfen.

Aber selbst wenn du Gruppen gefunden hast, denen du angehören möchtest, stimmst du eventuell nicht völlig und immer mit allen Gruppennormen, Regeln und Stereotypen überein, die diese Gruppe mit sich bringt.

Was tun? Die komplette Gruppe wieder verlassen? So lange nach einer Gruppe suchen, bis man 100%ig übereinstimmt? Aber: gibt es überhaupt die perfekte Gruppe?

Mir war damals klar, dass ich meine komplette Vorstellung von Moral und Ethik hätte opfern müssen, um mich diesem Team zugehörig zu fühlen und mich zu integrieren. Das Opfer wäre zu groß gewesen. Gleichzeitig musste ich 18 Monate meines Lebens mit diesen Menschen verbringen.

Außerdem hatte ich Angst, selbst zum Opfern zu werden. Es ist ja oft so: Entweder man ist drinnen oder draußen.

Tajfel und Kollege Turner (1979) nahmen an, dass sich jeder Mensch selbst in eine Kategorie steckt (gehöre ich einer Gruppe an, wenn ja, welcher) und sogar Stereotype von sich selbst und anderen Mitgliedern dieser Gruppe entwirft. Die Mitglieder der eigenen Gruppe werden bevorzugt. Dabei steht nicht die Persönlichkeit des Mitglieds im Vordergrund, sondern seine Mitgliedschaft in der Gruppe, die zur Sympathie führt.

Die Gruppenzugehörigkeit scheint also wichtiger zu sein, als ob wir jemanden wirklich mögen. Wow! Selbst bei zufällig herbeigeführten Gruppen aufgrund irrelevanter Kriterien oder durch Münzwurf (Tajfel, 1970, Billig und Tajfel, 1973) wurden Mitglieder aus der eigenen Gruppe bevorzugt.

Das macht Druck: Entweder ich gehöre dazu, oder eben nicht. Das heißt nicht mal, dass die anderen mich mögen.

Ich wollte nicht selbst zum Opfern werden. Aber ich wollte auch nicht die Gruppenstereotype erfüllen und mich so unkollegial verhalten wie die anderen.

Ich machte also moralisch mit mir selbst einen Kompromiss: Ich ertrug, dass gelästert wurde, dass die Stimmung jeden Tag schlecht war und die Teamarbeit nicht meinen Vorstellungen entsprach. Aber ich nahm mir vor, die Zeit durchzuhalten und lernte eine Menge über mich selbst und meine Wünsche bezüglich einer zufriedenstellenden Arbeitssituation. Ich beteiligte mich so weit wie möglich nicht am Gruppengeschehen, hielt mich raus und opferte mein Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu DIESER Gruppe.

Wäge also ab: Welche Gruppennormen, Regeln, Stereotype kannst du vertreten, und welche nicht? Kannst du die, die dir nicht entsprechen, entweder reduzieren, ausklammern, vermeiden, so gering wie möglich halten? Oder kannst du sie akzeptieren, in Anbetracht dessen, dass du in anderen Gruppen NOCH mehr Kompromisse machen müsstest?

Entscheide dich: Was wiegt schwerer? Der Wunsch, dazuzugehören, oder der Druck durch die Gruppennormen, die du in Kauf nehmen müsstest?

 

 3) Mache dir deinen Standpunkt klar und vertrete selbstbewusst deine Grenzen!

Es war klar, dass meine Entscheidung für die Zugehörigkeit zu einer Gruppe gleichzeitig eine Entscheidung gegen die Zugehörigkeit zur anderen Gruppe bedeutet hätte. Aber in was wäre ich dann hineingeraten?

Mit dem Bewusstsein über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe wächst auch die Tendenz, sich gegenüber anderen Gruppen abgrenzen zu wollen (Dijksterhuis et al., 1998, Spears et al., 2004).

In einer Studie mit zwei Gruppen von Jungen in einem Feriencamp fanden Sherif et al. (1961), dass, sobald sie sich der Existenz der anderen Gruppe bewusst waren, eine wetteifernde Eigengruppe-Fremdgruppe Haltung entwickelten, sogar bevor die Campleiter den Wettbewerb initialisierten. Somit wurde deutlich, dass Konkurrenz schon mit dem Wissen um eine andere Gruppe einhergeht.

Dabei scheint der Konflikt zwischen den Gruppen um die knappen Ressourcen wie Rang, Status, Prestige oder Gewinn innerhalb der sozialen Situation im Fokus des Interesses zu stehen, wenn es explizit als Wettbewerb definiert ist (Tajfel, 1982).

Gruppenzugehörigkeit hätte erfordert, Verhaltensstereotype zu zeigen, die der Gruppennorm entsprechen. Das heißt, ich hätte ein bestimmtes Verhalten der „Konkurrenz-Gruppe“ gegenüber an den Tag legen müssen. Mir war klar, dass ich das nicht wollte.

Ich wollte zu keiner der Gruppen gehören, um nicht in eine solche Konkurrenzsituation zu gelangen. Gleichzeitig war ich zwangsweise Mitglied des Kollegiums. Du kannst dir wahrscheinlich denken, dass es mir als Teil des Kollegiums nicht immer möglich war, mich völlig neutral zu verhalten und mich aus allem rauszuhalten. Dafür war die Situation zu hochgekocht. Und wie gesagt, ich wollte fachlich durchaus meine Haltung vertreten.

In dieser Zeit lernte ich schnell, mich abzugrenzen. Zuerst war ich unsicher und äußerte nur zögerlich, wenn ich etwas nicht tun wollte. Z.B. wenn ich aufgefordert wurde, mit über andere zu lästern. Mit der Zeit bekam ich aber Übung und wurde sicherer. Ich irritierte zwar die anderen, da ich mich nicht so verhielt, wie sie es von mir erwarteten. Aber sie merkten, dass ich mich nicht verunsichern ließ und nicht mein Fähnchen in den Wind hing.

Zunächst sah ich mich mit einer Mischung aus manipulativen Überzeugungsversuchen und ganz offen angedrohten Konsequenzen konfrontiert. Aber ich blieb standhaft, denn ich hatte meine Grenze klar vor Augen:

So wollte ich mich nicht verhalten. So wollte ich nicht sein.

Diese Haltung hatte ich mir klar überlegt. Glücklicherweise hatte ich mittlerweile viele Freundinnen in der Ausbildung gefunden, mit denen ich darüber reden konnte, und die mich bestärkten. Aufgrund meiner eigenen Klarheit konnte ich selbst bei „Überraschungsangriffen“ von Kollegen standhaft bleiben und ließ mich nicht verunsichern. Und irgendwann wurde das akzeptiert, ich wurde mehr in Ruhe gelassen.

Mehr noch: letztendlich wurde ich genau dafür respektiert.

Du kannst dir vorstellen, dass in 1 ½ Jahren viel Sch… passieren kann. Im Laufe der Zeit wurde den Kollegen bewusst, dass ich eine klare Haltung vertrat, ihnen meine Grenzen aufzeigte, und wurde dafür von ihnen geschätzt und geachtet. Dafür, dass ich vor diesem Job nicht mal in der Lage gewesen war, meine Meinung zu äußern, hatte ich verdammt viel dazugelernt.

Kläre also, wo deine persönlichen Grenzen liegen und wäge ab, inwieweit du sie überschreiten möchtest oder nicht, um dem Druck einer Gruppe nachzugeben. Wenn du dich überrumpelt fühlst, räume dir Zeit zum überlegen ein, bevor du reagierst. Verbiege nicht deine Persönlichkeit und tue keine Dinge, die du nicht vertreten kannst, nur um dazu zu gehören.

 

 4) Frage dich: Was passiert, wenn du nicht alle Erwartungen der Gruppe erfüllen kannst oder möchtest? Wenn du gegen eine „Regel“ verstößt?

Grade im zwischenmenschlichen Bereich begegnet uns das oft: dominantere, stärkere Persönlichkeiten geben den Kurs der Gruppe vor, bestimmen Regeln, erwünschte und unerwünschte Verhaltensweisen und definieren eine Grenze für die Gruppenzugehörigkeit. In oder out.

Aber stelle dir die Frage ganz realistisch: Was wäre denn, wenn du eine Norm tatsächlich nicht erfüllst? Wäre das wirklich so schlimm?

Bei meiner Arbeit damals war es ganz offensichtlich: Hat sich jemand der Gruppennorm nicht gefügt, war er draußen. Er wurde ausgeschlossen und selbst zum Opfer. Es war wirklich keine schöne Atmosphäre, wie du dir vorstellen kannst.

Auch mir wurde zunächst das Leben schwer gemacht, als ich mich nicht unterordnen wollte. Aber ich habe mich dagegen abgegrenzt. Unsere Tendenz ist dann oft Fight oder Flight: Entweder wir setzen zum Gegenschlag an und zeigen das gleiche miese Verhalten, nur eben gegen diese Personen und nicht in ihrem Sinne. Oder wir ziehen den Schwanz ein, versuchen uns zu verstecken und werden schlimmstenfalls selbst zum Opfer.

Als mir bewusst wurde, dass ich zu dieser Gruppe nicht gehören WILL, habe ich mich emotional davon unabhängig gemacht. Ich habe mich entschieden, weder zum Gegenangriff überzugehen, noch mich zu verstecken. Ich habe selbstbewusst meinen Standpunkt vertreten, so dass ich weder Täter noch Opfer geworden bin.

Es existiert neben Fight und Flight also auch eine dritte Reaktionsmöglichkeit. Und für diese wurde ich respektiert.

Druck und Stress entstehen oft, weil wir dazugehören wollen, aber Dinge nicht tun wollen, die in der Gruppe angesehen sind oder verlangt werden. Das kann wie in meinem Fall Mobbing sein, aber auch der Konsum von Alkohol, Drogen, bestimmte Mutproben, um aufgenommen zu werden, dass man unbedingt bestimmte Kleidung tragen, Autos fahren oder andere Statussymbole wie Handys haben MUSS, um dazu zu gehören. Der sogenannte Gruppenzwang.

Wenn du deine Haltung vertrittst und deine Grenzen klar machst (s. Punkt 3), MUSST du im Normalfall nicht JEDE Regel, Norm oder erwünschten Verhaltenskodex zeigen, um in der Gruppe zu bleiben. In gesunden zwischenmenschlichen Beziehungen sollte so viel Toleranz möglich sein, dass nicht alle immer konform gehen müssen.

Natürlich müssen wir uns an Gesetze halten, wenn wir in unserer Gesellschaft leben und zugehörig sein wollen. Bestimmte Berufe bringen eine Kleiderordnung mit sich oder haben einen Verhaltenskodex. Wenn wir das nicht wollen, können wir bei Punkt 1) wieder anfangen und neu überlegen, ob wir Teil der Gruppe sein wollen oder lieber nicht.

Jedoch in sozialen Gruppen, die keine wichtige Überlebensfunktion erfüllen, sondern eher freiwilliger Natur sind, haben wir recht viel Wahlfreiheit, mit wem wir es denn zu tun haben möchten.

Ich hätte mir damals lieber einen neuen Job gesucht, als mich solch unmenschlichen Forderungen unterzuordnen. Da ich mich aber nicht habe verunsichern lassen, wurde ich letztendlich akzeptiert, OBWOHL ich die Gruppenregeln verletzt und Normen nicht eingehalten habe. Zuletzt wurde ich sogar genau dafür respektiert.

Wenn du meinen Artikel über Selbstbewusstsein gelesen hast, dann weißt du, dass ich mich früher nicht getraut habe, aus der Reihe zu tanzen, sondern mich immer angepasst habe, um dazuzugehören. Gleichzeitig hat mich das wahnsinnig gestresst und unter Druck gesetzt. Ich dachte, ich würde abgelehnt, wenn ich mal anderer Meinung bin.

Diese Erfahrung hat mich aber so selbstbewusst gemacht, dass ich heute viel besser akzeptieren kann, wenn Menschen nicht so ticken wie ich. Gleichzeitig habe ich weniger Angst, dass jemand mich nicht akzeptieren könnte. Denn ich weiß, dass ich einerseits auf mehr Offenheit und Akzeptanz stoße, wenn ich das selbst ausstrahle. Andererseits kann ich auch andere Menschen finden, die mich akzeptieren, ohne dass ich mich völlig verbiegen / anpassen muss, bzw. die akzeptieren, wenn wir nicht in allen Anschauungen und Wertevorstellungen 100%ig d’accord sind.

Ich bin nicht mehr so abhängig davon, dazugehören zu wollen.

Werde so selbstbewusst, dass du dich nicht von anderen Menschen unter Druck setzen lässt, bestimmte Dinge zu tun oder Verhaltensweisen zu zeigen, die du nicht möchtest, bloß um zugehörig zu sein. Denke kritisch über den Sinn und Unsinn von gruppeninternen Regeln und Normen nach. Überprüfe, ob in deiner Gruppe genügend Platz für Individualität ist. Wird akzeptiert, wenn nicht jede Regel erfüllt wird? Wäge ab, wie sehr du dich anpassen möchtest, um zugehörig zu sein, oder beginne erneut bei Punkt 1).

 

5) Lege deinen Fokus nach innen: Schaffe dir eine Identität unabhängig von anderen Menschen

Druck und Stress entstehen oft durch die Frage der Perspektive: Wonach orientierst du dich? Schaust du eher, was andere machen, um cool und beliebt zu sein? Machst du es dann nach, um ebenfalls beliebt zu sein und dazu zu gehören? Ist dein Gefühl von Zugehörigkeit also sehr abhängig davon, wie andere dich wahrnehmen und akzeptieren?

Dann wird es höchste Zeit, die Perspektive zu wechseln und die Aufmerksamkeit weg von anderen und mehr auf dich selbst zu lenken. Du kannst dich unabhängiger vom Druck von außen machen, wenn du eine eigene Identität hast, derer du dir selbst bewusst bist und die du nach außen selbstbewusst vertreten kannst.

Mir war damals klar, dass ich nicht zu dieser Gruppe gehören muss und möchte, um mich zugehörig und anerkannt zu fühlen. Es war zwar ungewohnt für mich, aber auch eine wichtige Erfahrung, um mehr Selbstbewusstsein und Klarheit über meine eigene Persönlichkeit und Identität zu bekommen.

Folgende Orientierungspunkte helfen dir, deine Persönlichkeit und soziale Identität zu stärken:

  • Baue Selbst-Bewusstsein auf! In diesem Artikel erkläre ich dir, was dafür nötig ist.
  • Priorisiere dein eigenes Wohlbefinden und überlege, was dich glücklich und zufrieden macht! Dementsprechend kannst du dich in der Gesellschaft sicherer bewegen und wirst unabhängiger von der Akzeptanz und Erwartung anderer.
  • Orientiere dein Selbstwertgefühl und dein Wohlbefinden nicht ausschließlich darüber, was gesellschaftlich / in deiner Bezugsgruppe anerkannt ist. Sondern vergleiche dich mit dir selbst: Früher vs. Heute vs. Zukunft.

Lege deinen Maßstab also auf dich selbst:

Nicht: Was kannst du / hast du im Vergleich zu anderen?
Sondern: Was kannst du / hast du heute im Vergleich zu früher?

Nicht: Was willst du erreichen / erleben / besitzen im Vergleich zu anderen?
Sondern: Was willst du in Zukunft erreichen / erleben / besitzen im Vergleich zu heute?

Für mich bedeutete das, nicht das Verhalten meiner Kollegen als Maßstab zu nehmen, sondern mein eigenes. Ich wollte mich beruflich und menschlich weiterentwickeln, aber nicht meine Ziele, Moralvorstellungen und Verhaltensweisen an die der Kollegen anpassen, sondern auf meine eigenen vorhandenen Fähigkeiten und Kompetenzen aufbauen.

Überlege dir gut, mit wem du dich vergleichen möchtest, und ob dieser jemand überhaupt so nachahmenswert ist. Orientiere dich also – wenn möglich – weniger an anderen, teils gegen deine persönliche Moral handelnden Vergleichspersonen! Mache deine Identität unabhängiger von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe und entwickele ein starkes Selbst-Bewusstsein.

 

Fazit

1) Mache dir bewusst, zu welchen Gruppen du überhaupt gehören möchtest

2) Wäge ab zwischen deinem Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Opfern, die du in deinen Bedürfnissen dafür bringen musst

3) Mache dir deinen Standpunkt klar und vertrete selbstbewusst deine Grenzen!

4) Frage dich: Was passiert, wenn du nicht alle Erwartungen der Gruppe erfüllen kannst oder möchtest?

5) Lege deinen Fokus nach innen: Schaffe dir eine Identität unabhängig von anderen Menschen

 

Wie du siehst, geht es immer darum, Kosten und Nutzen abzuwägen. Wie sehr möchtest du dich einer Gruppe zugehörig fühlen? Welche persönlichen Freiheiten bist du bereit, dafür aufzugeben?

Es lassen sich leichter Teile der persönlichen Freiheit aufgeben, Einschränkungen akzeptieren und Kompromisse schließen, wenn du zumindest die Gruppe selbst gewählt hast und dich nicht den Wünschen oder Erwartungen anderer unterordnest.

Je leichter es dir fällt, je natürlicher es sich anfühlt, sich in eine Gruppe zu integrieren, je toleranter die Gruppennormen sind, je selbstbewusster du bist und deine Identität nicht völlig von der Zugehörigkeit abhängig machst, umso weniger Druck und Stress hast du.

Mache dir weniger Druck, indem du dich weniger unter Druck setzen lässt.

 

Ich danke dir herzlich für’s Lesen meines Artikels und hoffe, dass er dir gefallen hat. Wenn du ihn hilfreich fandst oder denkst, dass er auch anderen helfen könnte, teile ihn mit deinen Freunden und leite ihn weiter.

Schreibe mir außerdem einen Kommentar:

Was macht dir persönlich Stress und gesellschaftlichen Druck? Wie gehst du damit um? Hast du eventuell Tipps, die für andere hilfreich sein könnten?

 

Bis bald,
Eure Anna

 

 

Literatur:

Billig, M., & Tajfel, H. (1973). Social categorization and similarity in intergroup behavior.
European Journal of Social Psychology, 3, 27-51.

Dijksterhuis, A., Spears, R., Postmes, T., Stapel, D. A., Koomen, W., Van Knippenberg, A.,
& Scheepers, D. (1998). Seeing one thing and doing another: contrast effects in
automatic behavior. Journal of Personality and Social Psychology, 75, 862–71.

Spears, R., Gordijn, E., Dijksterhuis, A., & Stapel, D. A. (2004). Reaction in action:
Intergroup contrast in automatic behaviour. Personality and Social Psychology
Bulletin, 30, 605-616.

Sherif, M., Harvey, O. J., White, B. J., Hood, W. R., & Sherif, C. W. (1961). Intergroup
cooperation and competition: The robber’s cave experiment. Norman, OK: University.

Tajfel, H. (1970). Experiments in intergroup discrimination. Scientific American, 223, 96-102.

Tajfel, H. (1981). Human Groups and Social Categories: Studies in Social Psychology. Cambridge: Cambridge Univ. Press. 369 pp.

Tajfel, H. (1982): Gruppenkonflikt und Vorurteil. Bern; Göttingen; Seattle; Toronto: Verlag Hans Huber.

Tajfel, H., Billig, M. G., Bundy, R. P., & Flament, C. (1971). Social categorization and intergroup behaviour. European Journal of Social Psychology, I, 149-178.

Tajfel, H., & Turner, J. C. (1979). An integrative theory of intergroup conflict. In W. G. Austin & S. Worchel (Eds.), The social psychology of intergroup relations (pp. 33-47). Monterey, CA: Brooks/Cole.

Tajfel, H. & Turner, J.C. (1986): The social identity theory of intergroup behavior. In S. Worchel & W.G. Austin (Hrsg.): Psychology of intergroup relations (S. 7-24). Chicago,IL: Nelson-Hall.

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4 Kommentare zu „Wie du sozialen Stress reduzierst: 5 Tipps zum Abbau von Gruppendruck

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