Reisen ist meine persönliche Leidenschaft.
Ich habe zwar bisher nur einen Bruchteil unserer Welt gesehen. Dennoch haben mich meine Reisen sehr geprägt, und ich habe mich durch sie enorm weiterentwickelt. Daher möchte ich gerne mit dir teilen, was ich jeweils an Erfahrungen mitgenommen habe.
Heute verrate ich dir, was ich von meiner Reise ins sonnige Los Angeles gelernt habe.
Meine Vorstellung von Los Angeles
Los Angeles. City of Angels. Die Stadt der Reichen und Schönen. Die Stadt, in der Träume wahr werden…
Bevor ich nach Los Angeles gefahren bin, hatte ich natürlich, wie jeder von uns, im Fernsehen eine Menge über diese mythenumwobene Stadt gesehen. Fast alle bekannten Filme werden in der Traumfabrik Hollywood produziert, viele unserer Schauspielidole und Musikstars leben dort, und die Stadt selbst ist oft Schauplatz von berühmten Filmen und Serien.
Im Endeffekt kam ich gar nicht drum herum, mich mit dieser Stadt auseinander zu setzen.
Ich muss zugeben: Ich war schon immer fasziniert gewesen von LA. Von den ganzen schönen Menschen, die dort leben, von dem Reichtum, der dort angesiedelt ist, und von der Lebensqualität, die das Leben als reicher und schöner Mensch bestimmt mit sich bringt.
Seit meiner Kindheit war mir klar, dass das ein besonderer Ort sein musste. Und als Fan von Beverly Hills 90210 dämmerte es mir, dass es wohl ein Privileg war, dort leben zu dürfen.
Dazu zu gehören.
Für mich war klar: Ich musste dort auf jeden Fall einmal hin und mir das alles selbst ansehen!
Der Traum wurde Wirklichkeit
Als es dann tatsächlich so weit war, und Bert und ich die Reise gebucht hatten, platzte ich fast vor Freude. Endlich würde mein Traum Wirklichkeit werden und ich alles sehen und erleben können, was ich bisher nur im Fernsehen gesehen hatte!
Doch plötzlich beschlich mich ein Gedanke, der mich tierisch in Stress versetzte:
Wenn dort alle Menschen so schön und reich sind, wie sehe ich denn dann dagegen aus???
Hm. Ich fand mich nicht hässlich, versteh’ mich nicht falsch. Aber ich hatte auch nicht gerade Traummaße, ein Traumbankkonto oder Traumklamotten. Ich war eben ein ziemlicher Normalo. (Und bin es immer noch 😉 )
In meiner Fantasie sah ich mich zwischen lauter durchtrainierten, gebräunten Strandschönheiten, die mit Designerklamotten am Arm von reichen Männern über den Rodeo Drive stöckelten, um nach dem Shoppen im Porsche zur Villa in Beverly Hills oder ins Beach-Haus nach Malibu zu düsen und auf irgendwelchen Promipartys wild zu feiern. Klischees also.
Eigentlich war ich nie unzufrieden mit mir gewesen. Aber diesen direkten Vergleich mit der Superlative fürchtete ich dann doch. Dagegen konnte ich als Normalo ja nur verlieren!
Plötzlich hatte ich eine solche Angst, dass ich neben all’ diesen reichen und schönen Menschen wie der letzte Loser aussehen würde, so dass ich begann, wie wild Sport zu machen. Wenigsten ein paar Kilos wollte ich noch abnehmen, um den Schaden für mein Ego so gering wie möglich zu halten.
Designerklamotten hatte ich nicht, ebenso wenig das Geld, um mir auf die Schnelle noch welche zu kaufen. Daher achtete ich beim Packen meines Backpacks (ja, wir reisten auch noch mit Backpack) darauf, Sachen einzupacken, die besonders hochwertig aussahen.
Schadensbegrenzung. Schein statt Sein.
Mehr konnte ich nicht tun. Nun musste ich mich den Menschen in LA zeigen. Schließlich wollte ich dorthin und eben auch sie sehen. Also fuhren wir so, wie wir eben waren, dorthin.
5 Lektionen, die ich während meiner Reise gelernt habe
1. Der Schein trügt nicht
Als Bert und ich in LA ankamen, staunten wir nicht schlecht.
Ein großes Auto in Deutschland ist dort vergleichsweise eher ein Kleinwagen. Nicht, dass es bei dem milden Klima dort nötig wäre, einen Geländewagen zu fahren. Doch Kolonnen von SUVs rollten im Schneckentempo über die verstopften Straßen LAs. Aber das hatten wir erwartet, schließlich sollte dort alles etwas größer sein als bei uns.
Außerdem ist die Stadt wirklich schön. Ich weiß gar nicht, ob man von Stadt reden kann, da sich LA auf einer unvorstellbar riesigen Fläche erstreckt (weshalb man so viel im Auto sitzt, um hin und her zu fahren. Wahrscheinlich kaufen die Amis so große Autos, um während der vielen Stunden am Lenkrad bequem zu sitzen?). Alles dort ist sehr sauber, neu und sieht hochwertig aus. Man darf nicht vergessen, dass die Stadt auch noch nicht so alt ist wie so manche Stadt bei uns in Europa. Aber auf den ersten Blick war ich nur beeindruckt von der Lebensqualität, die tatsächlich so hoch zu sein schien, wie ich es erwartet hatte.
Unser Hotel lag in Redondo Beach, einem Ortsteil relativ weit außerhalb vom Zentrum. Auch dort fanden wir in der Regel schöne, gepflegte Häuser, Menschen und Autos vor, welche offensichtlich das schöne Wetter und die Strandnähe genossen. Dort erfuhren wir, dass Preise selbst für kleine Wohnungen völlig oberhalb unserer Vorstellungskraft lagen. Gute Lebensqualität hatte eben ihren Preis. Wie teuer Villen in Beverly Hills, Bel Air und anderen vergleichbaren Stadtteilen waren, erfuhren wir bei einer dieser typischen Touri-Busfahrten, die wir uns natürlich nicht entgehen lassen konnten.
Uns schlackerten die Ohren ob der hohen Preise für Immobilien. Aber das hatten wir ja erwartet. Ich muss schon zugeben, dass ich neidvoll an der Scheibe des Busses klebte und dachte: „Das werde ich mir nie leisten können…“
Gleichzeitig war ich aber viel weniger eingeschüchtert, als ich noch kurz vor unserer Reise befürchtet hatte. Denn um uns herum, im Touri-Bus, saßen lauter andere Normalos, die ebenso wie wir die Villen der Reichen und Schönen bestaunten.
Mir wurde klar, dass wir uns in Beverly Hills hochkonzentriert am oberen Ende der Normalverteilung der Gesellschaft befanden. Und das hier war eben nicht normal, nicht der Durchschnitt. Hier lebten offenbar hauptsächlich Leute, deren Träume sich hatten erfüllen lassen.
Wieso hatte ich mir eigentlich vorgenommen, mich mit solch einem kleinen Prozentsatz an Menschen zu vergleichen? Totaler Blödsinn.
Ich realisierte, dass mein Bild von Hollywood und Beverly Hills mein Bild von Normalität völlig verzerrt hatte: Es lebten hier tatsächlich viele schöne und reiche Menschen, aber das war doch eine Ausnahmesituation und entsprach nicht der sonstigen Realität. Gauss sei Dank!
2. Der Schein trügt doch
Nachdem ich leicht neidvoll festgestellt hatte, dass an diesem schön gezüchteten Fleckchen Erde tatsächlich überdurchschnittlich hochkonzentriert reiche und schöne Menschen leben, lernte ich jedoch ebenso schnell die Kehrseite der Stadt kennen.
Jeder fünfte Satz unserer Tour-Guides lautete „Sorry for all the homeless people“. Wir sahen wirklich ziemlich viele Obdachlose. Aber wieso denn sorry? Mir taten sie ziemlich leid, und ich fragte mich, warum die Stadt es nicht hinbekam, sich besser zu kümmern? Die Sorge der Guides war stattdessen, dass sie das Stadtbild störten und die Touristen vergraulten. Ich war entsetzt.
Wir lernten, dass in LA besonders viele Obdachlose lebten, da ein Teil der Menschen, die herkamen, um als Schauspieler, Sänger oder was auch immer ihr großes Glück zu versuchen, scheiterten und angesichts der hohen Lebenserhaltungskosten auf der Straße landeten. Das milde Klima machte die Bedingungen offenbar erträglicher, so dass sie dennoch blieben.
Eigentlich logisch: Ein Ort, an dem viele Menschen ihre Träume verwirklichen, ist oft ebenso ein Ort, an dem andere scheitern. Nicht jeder kann seinen Traum „vom Tellerwäscher zum Millionär“ verwirklichen. Aber diese Leute bleiben dann entweder nicht in LA, weil sie sich das Leben dort gar nicht leisten konnten, und verschwinden von der Bildfläche. Oder sie werden als Obdachlose möglichst aus dem Blick der Touristen herausgehalten, um das Stadtbild nicht zu stören.
Verzerrte Wahrnehmung hoch drei!
Auch ansonsten fiel uns auf, dass gerne über Erfolge, Reichtum, Schönheit, hohe Lebensqualität, die schöne Landschaft usw. gesprochen wurde. Problematische Themen wurden jedoch systematisch – wie soll ich das formulieren? – naja, die gab es irgendwie nicht.
Der Smog, der jeden Tag über die Stadt waberte, und Atmen, Sonnenbaden und den Blick in den Himmel unmöglich machte, wurde außer von uns von niemandem mehr wahrgenommen. Er war ebenso zur Normalität geworden wie der überdimensionale Reichtum.
Bert und ich schienen zudem die einzigen zu sein, die beim Wegschmeißen des üblichen Plastikgeschirrs bei wohlgemerkt JEDEM Essen, Kaffee und Snack zwischendurch ein schlechtes Gewissen hatten. Ein Uber-Driver, dem wir während einer Fahrt von unseren Gewissensbissen erzählten, fragte uns, wie wir denn in Deutschland meinten, weniger Müll produzieren zu können. Er machte große Augen, als wir sagten, dass es z.B. in deutschen Starbucksen Kaffee in echten Tassen gebe, die nach dem Gebrauch gespült und wieder neu verwendet würden.
Wir bekamen also nicht nur ein verzerrtes Bild durch die überdurchschnittliche hohe Dichte an schönen und reichen Menschen, sondern zusätzlich noch eins durch die Ausblendung der / fehlendes Problembewusstsein für die Kehrseite.
3. Und was macht das Unscheinbare?
Ja, tatsächlich gab es auch einen Bevölkerungsdurchschnitt. Andere Normalos, die in LA lebten. Vielleicht nur eben nicht in Beverly Hills.
Wie gesagt wohnten wir etwas außerhalb. Dort fanden wir weder besonders viele Superreiche in Villen vor, noch besonders viele Obdachlose auf den Straßen. Wenn wir in unserem Viertel unterwegs waren, ob beim Einkaufen, Essen, Bummeln oder Sporteln, trafen wir auf ganz normale Leute. Zumindest fanden wir die gesamte Bandbreite zwischen diesen beiden Extremen.
Das fühlte sich fast an wie zuhause! Ich war erstaunt.
Vor allem war ich erstaunt, dass mir das erst nach ein paar Tagen aufgefallen war. Ich hatte meine Aufmerksamkeit offenbar so sehr auf die beiden extremen Eindrücke lenken lassen, dass mir das Bekannte, das Vertraute, das Normale gar nicht sonderlich in den Blick gekommen war. Ich hatte mich so sehr auf die erwarteten und überraschenden Unterschiede zu meinem „normalen“ Leben konzentriert, dass ich die Gemeinsamkeiten und das Unspektakuläre völlig übersehen hatte.
Selektive Aufmerksamkeit. Ziemlich diskriminierend.
4. LA ist nicht nur Beverly Hills und Hollywood
Insgesamt stellte ich fest, dass ich mit ziemlich klaren Vorstellungen nach LA gefahren war, die ich mir anhand der Filme und Serien gebildet hatte, welche ich im Laufe der Jahre gesehen hatte.
Ehrlich gesagt war ich ziemlich vorurteilsbehaftet an diese Reise herangegangen.
Wir haben allgemein eher ein negatives Verständnis von Vorurteilen. Aber mal im Ernst: Bloß weil ich gutaussehende und wohlhabende Menschen erwartet hatte, die ich beneidete, war ich nicht weniger voller Vorurteile an diesen Ort gefahren, als wenn ich negativ behaftete Klischees erwartet hätte.
Und ich hatte ja gemerkt, wie sehr ich mich von diesen Vorurteilen hatte beeinflussen lassen:
Plötzlich hatte ich mich selbst viel schlechter im Vergleich gefühlt.
Ich hatte mich tierisch unter Druck gesetzt, mithalten zu können / müssen. Schlank und gutaussehend zu sein. Und wenn ich schon nicht reich war, wenigstens den Anschein zu erwecken.
Und zusätzlich hatte ich die Menschen dort in eine Kategorie gesteckt und war voreingenommen.
Ich weiß zwar, dass Vorurteile durch eine verzerrte Wahrnehmung und selektive Aufmerksamkeitslenkung entstehen. Aber ich war dennoch entsetzt, wie extrem sich diese voreingenommene Sichtweise auf mich ausgewirkt hatte.
Ich war ziemlich froh, dass wir soweit außerhalb von Hollywood, Beverly Hills und Co. wohnten, da wir somit ein Bild von LA abseits von Schein und Glamour gesehen haben. Als Tourist bekommt man in der Regel eben nur einen sehr begrenzten und ausgewählten Ausschnitt der Gesamtrealität zu sehen, wenn man sich nicht aktiv aus der Touristeninfrastruktur herausbewegt.
Bert und ich mussten zwar ziemlich viele Kilometer in unserem gemieteten SUV verbringen, um von unserem schönen Redondo zu den Touri-Hotspots zu gelangen. Aber auf dem Weg dahin haben wir so viel darüber hinaus gesehen, was uns bereichert hat. Wir haben zusätzlich zu diesem kleinen Ausschnitt, den man aus Film und TV kennt, einen weiteren Einblick in die Realität bekommen.
Uns hat das so gut gefallen, dass wie in Zukunft, wenn möglich, auf unseren Reisen lieber immer etwas außerhalb von Stadt- oder Touristencentren unterkommen wollen, um mehr Realität von Land und Leuten zu erleben, als man ansonsten so begrenzt erhält.
5. Calm down!
Und was nehme ich nun mit aus meiner Reise nach LA?
Natürlich habe ich immer bestimmte Vorstellungen von einem Land, einer Stadt oder den Leuten dort, weil die Medien, Reiseführer oder die eigene Fantasie mir immer irgendwelchen Input geben.
Aber ich habe mir vorgenommen, in Zukunft offener zu reisen mit der Einstellung, dass ich meine Vorstellungen erst einmal in der Realität überprüfen muss. Mir ist deutlich geworden, wie schnell Vorurteile entstehen, und ich möchte künftig eher mit einem lernenden, neugierigen Mindset Länder, Menschen und Kulturen erkunden als mit zu fester Erwartungshaltung.
Gleichzeitig habe ich gelernt, dass es mir ebenso wenig etwas bringt, mich vorher von Vorstellungen unter Druck setzen zu lassen, die ich ja nicht einmal überprüft geschweige denn bestätigt hatte! Was hatte ich denn schon gesehen? Hollywoodfilme! War doch klar, dass die geschönt waren. Das hätte ich mir eigentlich denken können.
Es leben dort viele schöne und bestimmt reiche Menschen. Aber tatsächlich bin ich keinem davon persönlich begegnet. Möglicherweise hatte ich beim Strandspaziergang in Malibu oder beim Bummeln durch andere Stadtviertel welche getroffen. Aber besonders ins Auge gestochen war mir, abgesehen von einer wirklich klischeeerfüllenden Blondine im Minikleidchen am Rodeo Drive dann doch niemand.
Die Menschen dort sahen gut aus, auch die durchschnittlichen. Aber sie sahen genauso gut aus wie die durchschnittlichen Menschen bei uns zuhause. Ich hatte vor lauter idealisierten Vorstellungen völlig übersehen, wie viele schöne Menschen mir jeden Tag auch in Deutschland begegnen.
Wieso hatte ich mich derart unter Druck gesetzt, möglichst noch abzunehmen vor der Reise? Ich war völlig im Rahmen und fiel optisch überhaupt nicht auf. Bert hatte mich für verrückt erklärt, mich damit so zu stressen. Aber meine verzerrte Vorstellung von den Leuten und dem Leben dort hatten mich total verblendet.
Auch wenn in manchen TEILEN von LA mit Sicherheit Ausnahmezustände in beiderlei Enden des menschlichen Kontinuums herrschten, verteilte sich die Population insgesamt gesehen doch recht normal.
Vor allem habe ich mitgenommen, dass ich mich nie wieder aufgrund meiner verzerrten Sichtweise von Annahmen so sehr verbiegen möchte, um in ein bestimmtes Bild zu passen. Egal ob optisch oder charakterlich. Ich war vorher mit mir zufrieden und bin es nachträglich immer noch.
Und das möchte ich dir auch gerne mitgeben.
Sei offen.
Prüfe idealisierende Annahmen auf ihren Realitätsgehalt.
Lass dich nicht von Vorurteilen in jeglicher Form unter Druck setzen.
Ich danke dir für das Lesen meines Artikels und hoffe, dass er dir gefallen hat und hilfreich war.
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Bis bald,
Eure Anna
3 Kommentare zu „Was ich von meiner Reise nach Los Angeles gelernt habe“